Lebenshilfe Braunschweig
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21.08.2019

Und sonst noch? III Persönliche Zukunftsplanung

Wir bieten viel an, damit Menschen mit Beeinträchtigung in Braunschweig selbstverständlich dazu gehören. Und widmen uns auch Themen, die nicht jeder kennt. Warum machen wir dies als Lebenshilfe Braunschweig mit Personal-Ressource und finanziellem Budget?

  • Vielfalt ist für uns eine Bereicherung, die wir wertschätzen.
  • Respekt und Würde gehören zu unserem Menschenbild.
  • Wir gestalten miteinander persönliche Wege und Freiheiten.

Unser Thema heute: Persönliche Zukunftsplanung.
 

Wie aus einem Nebensatz eine Hauptsache wurde

Die Zukunft ist nicht planbar – von wegen. Mit der Methode der Persönlichen Zukunftsplanung, die unter anderem im Berufsbildungsbereich der Lebenshilfe Braunschweig angewendet wird, werden wichtige Impulse gesetzt. Und die können manchmal ein ganzes Leben verändern.

Das Treffen war lang, schon fast zwei Stunden, als eine Randnotiz die Karriere von Adrian Studer in eine ganz andere Richtung lenken sollte. Der Auszubildende im handwerklichen Bereich der Lebenshilfe Braunschweig war bei allen Fachkräften hoch angesehen, einem erfolgreichen Einsatz in der Schlosserei stand nichts mehr im Wege. Der Vollständigkeit halber ging es dann noch kurz um seine Hobbys: „Du kochst doch gerne“, merkte der Wohngruppenleiter an. Und von da an gab es für den heute 24-jährigen kein Halten mehr. Ansonsten eher ruhig und sachlich, schilderte Studer seine „Nebenbeschäftigung“ in einer Weise, die so manchem der Anwesenden das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.

Kurzerhand wurde die Planung über den Haufen geworfen und ein Praktikum in der Küche vereinbart. Dort ist Adrian Studer noch heute tätig, inzwischen auf einem Außenarbeitsplatz bei der Raststätte Braunschweig Ost.

„Solche Erlebnisse sind keine Seltenheit“, berichtet Frank Rogalski, der für die Berufliche Bildung in der Lebenshilfe Braunschweig verantwortlich ist und dort viele Sitzungen zur Persönlichen Zukunftsplanung moderiert hat.

„Wir erleben oft Überraschendes, mit dem selbst enge Verwandte und Bekannte nicht gerechnet hätten.“ So kam es in einem Fall etwa zu einer Ausbildung als Alltagshelfer, die vorher niemand auf dem Plan hatte. Ein anderes Beispiel seien Wechsel in die Fahrzeugpflege, die den Betreffenden zunächst einmal nicht zugetraut worden wären, die diese aber heute mit großem Einsatz ausüben. Auch den Plan eines Berufsabschlusses im Wege einer Externenprüfung bei der Industrie- und Handelskammer sei in solch einer Runde entwickelt und dann auch erfolgreich umgesetzt worden.

„Das Modell wurde Ende der 80er Jahre in den USA entwickelt und basiert auf einer wertschätzenden Grundhaltung sowie einem personenzentrierten Ansatz“, erläutert das Netzwerk Persönliche Zukunftsplanung e.V. Dabei kommen zahlreiche offene Fragen zur Anwendung, wie etwa danach, was einem im Leben wichtig ist oder welche Unterstützung jemand benötigt. „Dabei stehen die Stärken eines Menschen im Mittelpunkt“, betont Frank Rogalski.

Für jedes Treffen bestimmt der Klient einen Unterstützerkreis aus Freunden, Verwandten oder Arbeitskollegen. Diese bilden eine breite Basis für Ideen und Know-how. „Gerade wenn es um die Stärken geht, kommt oft viel zusammen. Das motiviert die Menschen, die im Fokus stehen, auch von anderen unerwartete Themen anzugehen“, so Michael Schumann, der den Fachdienst Betriebliche Integration der Lebenshilfe Braunschweig leitet und sich auch konzeptionell intensiv mit der Methode beschäftigt hat. „Das ist oft sehr zeitintensiv und aufwändig zu organisieren, aber meist immer überaus lohnenswert.“

Adrian Studer muss in seinem Job bei der Raststätte öfter auch mal nicht vorgesehene Dinge lösen. Das Geschäft, so seine Chefin Sibylle Rademacher, sei nicht genau planbar. „Adrian macht das aber immer sehr zuverlässig“, lobt sie ihren Mitarbeiter.

Genauso zuverlässig will der junge Mann jetzt die nächsten Schritte festlegen: „Ich träume davon, eine eigene Wohnung zu haben und mit meiner Freundin zusammen zu ziehen.“ Der Wechsel des Berufsfeldes nach erfolgreicher Persönlicher Zukunftsplanung habe ihm gezeigt, dass vieles gehe, und deshalb arbeite er jetzt daran, auch die privaten Themen umzusetzen.

Fotos: Frank Rogalski