Lebenshilfe Braunschweig
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21.03.2024

Welt-Down-Syndrom-Tag: „Unterschätzt uns nicht!“

Souverän erobert Frederik den leuchtend gelben Ball, stürmt nach vorne und setzt ihn sauber ins Tor. „Versenkt“, scheint sein schelmisches Grinsen zu jubeln und schon stürmt der quirlige Knirps erneut aufs Spielfeld.

Fünfköpfige Familie

Doch von vorne: Frederik ist das jüngste Mitglied einer fünfköpfigen Familie und besucht den Kindergarten Schiefer Berg in Stöckheim. Kaum zur Tür hereingekommen, geht er zu seinem Platz auf dem Foyer-Bänkchen, hängt seinen Anorak auf und wechselt die Winterstiefel zu Hausschuhen. Die Mütze wird erstmal zum Turban dekoriert, dann kommt Luisa. Eine innige Umarmung. Und der Kita-Tag beginnt.

Integrative Gruppe

Frederik, ein fast vierjähriger Junge mit Down-Syndrom, ist in der integrativen Gruppe dieses vor gut einem Jahr eröffneten städtischen Kindergartens, betrieben von der Lebenshilfe Braunschweig. „Uns ist wichtig, dass Frederik inklusiv aufwächst, dass Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam ihren Kita-Tag gestalten“, erzählt seine Mutter Daniela. „Und da wir auch in Stöckheim wohnen, bleibt Frederik in seinem Umfeld. Wir treffen die anderen Kinder und ihre Eltern beim Turnen und beim Bäcker, er erlebt Nachbarschaft.“

Bunte Mischung

Martin Hippe, Leitungskraft in der Lebenshilfe Braunschweig und verantwortlich für diese Kita, betont: „Durch die bunte Mischung der Kinder profitieren alle voneinander. Und da ist Frederik pfiffig unterwegs: Er schaut sich vieles ab, zum Beispiel wie unsere Essenszeiten organisiert sind und er sich selbstständig um seine Mahlzeiten kümmern kann.“

Ob Korea, Türkei, Russland, Ukraine, Brasilien oder Deutschland, ob ruhig oder lebhaft, ob mit oder ohne Beeinträchtigung – die Lust, etwas zu entdecken und zu erlernen, gibt’s bei allen Kindern, unabhängig von Nationalität, Temperament oder Fähigkeiten.

Vorteile für alle

„Frederik ist auch eine Bereicherung für die Gruppe: Er ist fröhlich, neugierig, hilfsbereit. Und er macht es anderen leicht, mit ihm zusammen sein“, erzählt Martin Hippe. Von der heilpädagogischen Fachkraft in der integrativen Gruppe haben alle etwas: Denn sie gibt ihr Wissen auch ins Kollegium. „Um jedes Kind individuell zu fördern, wollen wir auch individuell und angemessen agieren. Was braucht das Kind zum Beispiel beim Spracherwerb, ist eine Unterstützung durch Gebärden oder Bildkarten sinnvoll?“

Ruhe und Bewegung

Frederik genießt seine Zeit im Kindergarten: die Geselligkeit mit anderen Jungen und Mädchen, die Anregungen und Aktionen, aber auch das konzentrierte Spiel mit Parkgarage und Fahrzeugen oder das Erobern eines riesigen Blatt Papiers mit Fingerfarben. „Er lernt so viel hier“, freut sich seine Mutter. „Und die Disziplin aus dem Sitzkreis finde ich dann zum Beispiel im Kindergottesdienst bei ihm wieder. Er sitzt dort ganz ruhig, lauscht der Geschichte und hat dann aber ebenso Freude am Singen und Tanzen.“

Morgenkreis als Ritual

Mit Sitzkissen auf dem Boden entwickelt sich der Morgenkreis in der Kita schnell zu einem Ritual für jedes Kind: Reihum gibt es den „Löwenkönig“ als Moderator, eine Aufgabe, die auch Frederik gern einnimmt. Welcher Tag ist heute? Welches Wetter gibt es vor der Tür? Brauchen wir eine warme Jacke, um rauszugehen? Was machen wir heute? „Alle arbeiten mit Karten, Gesten und Symbolen, hier gibt es keine Sonderrollen“, betont Martin Hippe.

Checkin mit Tablet

Und so schauen die Kinder auf die Porträtbilder der Fachkräfte an der Gruppentür, die kindgerecht eher auf Kniehöhe der Erwachsenen hängen, und registrieren, wer heute Dienst hat. Und auch das „Einchecken oder Onboarden“ läuft routiniert und selbstständig ab: Frederik greift sich sein Porträtbild von der Wand, hält den rückseitigen QR-Code in die entsprechende App aufs Tablet, registriert einen bunten Kreis, der sich bewegt und ihm dann zeigt: Alles klar, wir wissen, dass Du gut im Kindergarten angekommen bist.

Gelungene Teilhabe

Digitale Optionen, Bildkarten, Gebärden, das große Paket rund um Unterstützte Kommunikation, hilft vielen Kindern – ganz gleich, ob sie noch nicht so gut Deutsch können oder eine Sprachverzögerung haben. „Wer etwas mitteilen möchte und Angst hat, dass die anderen ihn nicht verstehen, erlebt Frust. Wer sich aber mitteilen kann, trifft auch selbst Entscheidungen und das ist die beste Form von Teilhabe“, sind sich Martin Hippe, Kolleg:innen und Eltern einig.

Zutrauen und Vertrauen

 „Für mich gilt eine Maxime im Umgang mit Menschen mit Down-Syndrom und die ist gut auf viele andere Menschen übertragbar,“ betont Frederiks Mutter Daniela. „Traut uns erst mal alles zu. Gebt uns Zeit, alles auszuprobieren. Auch mehrmals. Ihr wisst ja nicht, was in uns steckt. Und vor allem: Unterschätzt uns nicht!“   

  • Am 21. März ist der jährliche Welt-Down-Syndrom-Tag.
  • Ziel ist es, das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für Menschen zu schaffen, die mit dem Down-Syndrom leben.
  • Menschen mit Down-Syndrom haben ein Chromosom zu viel, nämlich das Chromosom 21: Es kommt dreimal, statt wie üblich zweimal vor. Daher sprechen Fachleute auch von „Trisomie 21“. Chromosomen enthalten die Erbinformationen | Gene der Mutter und des Vaters.

Text und Fotos: Elke Franzen