Sport Inklusiv: Kinderturnen – Herausforderung und Chance

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Wie die fünfjährige Ella mit Autismus ihren Weg in den Sport findet

Lautes Stimmengewirr hallt aus der Sporthalle des TSV Lamme. Dutzende Kinder toben durch den Raum, Eltern beobachten das lebhafte Geschehen. Mittendrin – und doch zunächst am Rand – steht Ella. Die Fünfjährige ist Asperger-Autistin und reagiert empfindlich auf laute Geräusche. Doch heute stellt sie sich einer besonderen Herausforderung: dem Kinderturnen.

Ein vorsichtiger Start
Noch hält sich Ella zurück, ergreift die Hände ihrer Eltern Sandra und Marcel. Zu viele Reize auf einmal können schnell zur Überforderung führen. „Früher wäre Ella gar nicht erst in die Halle gegangen“, erzählt Vater Marcel. „Ab einer gewissen Lautstärke hat sie sich die Ohren zugehalten und wollte nur noch weg.“

Dank gezielter Frühförderung hat sich das geändert. Kleine sportliche Übungen und soziale Kompetenztrainings haben ihr geholfen, sich besser auf neue Situationen einzulassen.

Sport als Schlüssel zur Entwicklung
Therapeuten empfehlen zunehmend sportliche Aktivitäten für Menschen mit Autismus. Während früher vor allem individuelles Training oder Kleingruppen bevorzugt wurden, findet inzwischen ein Umdenken statt. So entschied sich auch ein bekannter Sportler, der Waliser Tom Morgan – selbst in dem Autismus-Spektrum – nicht für eine Einzelsportart, sondern für Rugby – eine Sportart mit intensivem Körperkontakt. Die Veröffentlichung seiner positiven Erfahrungen führten dazu, dass der Hamburger Rugby-Verband 2022 ein eigenes Projekt für Menschen mit Autismus ins Leben rief. Auch andere Vereine öffnen sich immer mehr dem inklusiven Sport.

Auch wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen die positiven Effekte von Sport: Ein gestärktes Selbstwertgefühl, bessere Stressregulation und eine Steigerung der sozialen Interaktion gehören dazu.

Ellas Erfolgsmoment
Und tatsächlich: Im Verlauf der Turnstunde wird Ella mutiger. Mit großer Begeisterung balanciert sie über den Schwebebalken, springt auf dem Trampolin und wagt sich sogar ins Bällebad. Sie nimmt vorsichtig Kontakt zu anderen Kindern auf und hört beim Konzentrationstraining aufmerksam der Trainerin zu.

Am Ende des Tages erhält sie eine Urkunde – und den Titel „Zirkuskind“. Für Ella eine verdiente Anerkennung, für ihre Eltern ein weiterer Meilenstein. „Reiten und Kindersport wollen wir als Nächstes ausprobieren“, sagt Vater Marcel. Welche Sportart es am Ende sein wird, ist offen. Fest steht: Ella hat ihren eigenen Weg gefunden – mitten ins Leben.

Text: Frank Rogalski und Mailin Rohland